Robert Todd Carroll |
WiccaWicca ist eine Naturreligion, die auf Glaubensvorstellungen und Ritualen basiert, von denen man annimmt, sie hätten ihre Wurzeln in alten Bräuchen. Von Wicca wird behauptet, es gebe eine direkte Verbindung zu antiken keltischen Überlieferungen, die dieser Auffassung zufolge mehr im Einklang mit den Kräften der Natur stehen als das Christentum und andere moderne Religionen des Westens. Es ist jedoch präziser, Wiccaner als Teilhaber einer Bewegung zu betrachten, deren spirituelle Grundlage in der Natur und in natürlichen Phänomenen zu sehen sind, und nicht als Mitglieder einer Religion, da Wiccaner kein schriftlich festgehaltenes Credo haben, dem der Anhänger folgen muss. Auch errichten sie keine steinernen Tempel oder Kirchen, um dort zu beten oder Messen abzuhalten. Sie praktizieren ihre Rituale in der freien Natur: in Parks, Gärten, Wäldern, auf Höfen oder zwischen Hügeln. Lassen wir eine Wicca-FAQ-Seite zu Wort kommen: Wicca ist der Name einer modernen neuheidnischen Religion, die vor allem durch den Einsatz eines pensionierten britischen Beamten namens Gerald Gardner [in den späten 40ern des 20. Jhdts.] verkündet und verbreitet wurde. In den letzten Jahrzehnten hat sich Wicca zum Teil aufgrund ihrer Beliebtheit bei Feministinnen und anderen Menschen, die eine frauenfreundlichere und erdverbundene Religion suchten, ausgebreitet. Wie die Mehrzahl der neuheidnischen Religionen verehrt Wicca das Geheiligte als wesenhaft in der Natur und bezieht einen großen Teil ihrer Inspiration aus den nicht-christlichen und vorchristlichen Religionen Europas. Neu-heidnisch (engl. neo-pagan, von lat. paganus = Landbewohner; im Deutschen Heiden, da sie "in der Heide" lebten) greift zurück auf eine Zeit vor der Verbreitung der heutigen großen monotheistischen (Eingott-) Religionen. Als Faustregel kann man sagen, dass die meisten Wiccaner Neu-Heiden sind, aber nicht alle Heiden Wiccaner. Eine andere Faustregeln scheint zu sein, dass es keinen einzelnen Kanon von Glaubensvorstellungen oder Bräuchen gibt, der das "System Wicca" bildet, obgleich eine Überzeugung wiederholt auftritt: Solange es niemandem schadet, tu was du willst ("An' it harm none, do what you will"). Auch einige Rituale scheinen häufiger vorzukommen. Wiccaner praktizieren zahlreiche Rituale, die mit Naturerscheinungen in Verbindungen stehen - wie etwa den Jahreszeiten, den Sonnenwenden und den Tagundnachtgleichen. Ihre Symbole basieren auf der Verbundenheit des menschlichen Lebens mit der Natur. So feiern sie den Sommer zum Beispiel mit einem Fruchtbarkeitsritual, das als "Beltane" bekannt ist. Anstatt zu einem unnatürlichen Gott jenseits aller menschlichen Erfahrung zu beten, machen Wiccaner den Eindruck, sie befassten sich eher mit Selbsterfahrung und mit der Erweckung ihrer Verbindung zur Natur und zu Naturgottheiten, weiblichen wie männlichen. Ihre Rituale wirken wie Metaphern für psychologische Vorgänge: Sie singen, tanzen, rufen. Sie zünden Kerzen an und verbrennen Weihrauch; sie verwenden Kräuter und Glücksbringer. Häufig ziehen Wiccaner Kräuter der Schulmedizin vor. In Gruppenritualen drücken sie ihre Wünsche gegenüber der Gemeinschaft aus. Sie benutzen keine Zaubersprüche. Sie bitten um den Segen aus Norden, Süden, Osten und Westen. Sie meditieren. Sie kochen keine widerlichen giftigen Eintöpfe und Hexenkesseln. Sie fliegen nicht auf Besenstielen herum, und sie versuchen nicht, ihre Feinde zu verhexen. Da Wiccaner offenbar die Natur und ihre Gottheiten verehren, kann man sie als Pantheisten bezeichnen. Wiccaner teilen allerdings eine Überzeugung mit den Christen: Beide glauben, dass die gleichgültige Zerstörungskraft der Natur etwas grundsätzlich Gutes ist. Wir sollten daher dankbar sein für die Segnungen der Natur (oder Gottes), auch wenn es sich dabei um die Opfer von Pompeji handelt oder Kinder, die von Springfluten ertränkt werden; dankbar auch für diejenigen, die von einem Tornado um Haus, Hof und Leben gebracht werden oder die Millionen, die unter einer mitleidlosen Sonne in vertrockneten Landstrichen braten. Dieser Dank umfasst natürlich auch die unschuldigen Missgeburten - die Produkte gnadenloser biologischer Gesetze - Erdbeben- und Hurrikanopfer, wie auch die Millionen, die jedes Jahr von gleichgültigen Kräften in einer gleichgültigen Umgebung obdachlos gemacht werden. Nur in ihren Mythen haben Wicca-Magie oder christliches Gebet jemals die Fluten aufgehalten, den Blitz abgeleitet, den Tornado beruhigt, das Erdbeben gestoppt oder den Tsunami geglättet. Die Anziehungskraft Wiccas dürfte auf ihrer positiven Einstellung zu Frauen, ihrer naturalistischen Ansicht zum Sex und auf ihrem Versprechen auf Macht durch Magie ("Magick") beruhen. Sie ist sehr beliebt bei Frauen, und die Versuchung liegt nahe, sie als die "Rache der Frauen" für Jahrhunderte von Frauenhass und -mord zu sehen, die von etablierten Religionen wie Christentum und Islam begangen wurden. Wie bei den keltischen Religionen haben Frauen vollen Anteil an allen ihren Aspekten, und sie sind den Männern gleichgestellt, wenn nicht übergeordnet. Frauen spielen in der keltischen Mythologie eine - gelinde gesagt - ungewöhnliche Rolle: Sie sind intelligente, tapfere Krieger, skrupellos, sexuell aggressiv und Führerinnen von Nationen. Zum Schluss sollte unbedingt darauf hingewiesen werden, dass Wicca nichts mit Satanismus zu tun hat. Dieser Vorwurf hängt mit der Verfolgung von "Hexen" durch Christen zusammen, insbesondere während der mittelalterlichen und der spanischen Inquisition. Der Geist der Inquisition lebt jedoch fort in den Herzen vieler hingebungsvoller Christen, die weiterhin Wiccaner und andere als Teufelsanbeter verfolgen. Diese modernen Inquisitoren verbrennen niemandem auf dem Scheiterhaufen. Sie versuchen vielmehr, Dinge abzuschaffen wie Halloween [ein ursprünglich heidnisches Fest mit deutlich düsteren Untertönen, AdÜ], Spitznamen für Fußballvereine (etwa die Roten Teufel, der 1. FC Kaiserslautern), Bücher über Hexen oder irgendwie jedes Zeichen, Symbol oder jede Zahl, die sie irgendwie mit Satan in Verbindung bringen (eine Pizzeria hier vor Ort wurde sogar wegen der Zeichen auf ihren Lieferschachteln belästigt, die - Hexenjägern zufolge - satanische Symbole seien. Die Pizzeria ersetzte sie durch andere, um eine Medienkampagne zu vermeiden). Am ersten Frühlingstag 1996 fand
sich in unserem Lokalblatt ein Artikel über einen Hexenzirkel vor Ort.
Die Story zeichnete die rein weibliche Gruppe als harmlose Naturverehrer,
die im Rund tanzen und um den Segen aus Norden, Westen und so weiter
bitten. Darauf folgte ein langer Leserbrief, der sich über die Naivität
und Unwissenheit des Autors dieser Hexenstory beklagte. Hexen steckten mit
Satan unter einer Decke, so der Schreiber des Briefes, der mit "ein
Überlebender von satanistischem Ritualmissbrauch" zeichnete. Die
Aufrichtigkeit des Briefes scheint derjenigen zu entsprechen, die die
Frauen von Salem an den Tag legten, die ihre Hexerei eingestanden. Sind
die modernen Opfer des Satanismus so verwirrt wie die Hexen früherer
Zeiten, die von frommen Christen gejagt wurden und wirklich glaubten, sie
seien so böse wie ihre Verfolger meinten? Sind die modernen Wiccaner Teil
einer satanischen Verschwörung? Ich bezweifle es. Sollte es wirklich
Christen geben, die von Satansjüngern systematisch misshandelt werden, so
sind ihre Quälgeister mit Sicherheit nicht Teil einer internationalen
Wicca-Verschwörung. |
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©copyright 2002 Robert Todd Carroll |
Last updated 11/21/10 |