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Graphologie

Graphologie ist die Deutung von Handschriften, insbesondere zwecks Analyse des Charakters einer Person. Echte Handschriften-Experten - die z.B. in der Kriminalistik tätig sind - nennt man "forensische Schriftgutachter", nicht etwa Graphologen.

Forensische Schriftgutachter nehmen bei ihrer Auswertung Bezug auf Schnörkel, "i"-Punkte und "t"-Balken, auf den Buchstabenabstand, auf Schrägen, Höhen und abschließende Züge. Sie untersuchen die Handschrift, um festzustellen, ob ein Schriftstück authentisch oder gefälscht ist.

Auch Graphologen untersuchen Schnörkel, "i"-Punkte und "t"-Balken, den Buchstabenabstand, Schrägen, Höhen und abschließende Züge. Sie glauben jedoch, dass solche Einzelheiten einer Handschrift physische Offenbarungen unbewusster geistiger Funktionen sind. Graphologen sind überzeugt davon, dass diese Details genausoviel über eine Person aussagen können wie Astrologie, Handlesen, Psychometrie, oder der "Myers-Briggs Typen-Indikator", ein psychologischer Test zur Klassifizierung von Persönlichkeiten. Aber es gibt keine Beweise dafür, dass das Unterbewusstsein ein Fundus von Wahrheiten über eine Person enthält - und noch viel weniger dafür, dass die Graphologie einen Zugang zu diesem Reservoir eröffnet.

Die Graphologie kann, so wird von ihren Anhängern behauptet, auf allen Gebieten hilfreich sein: angefangen vom besseren Verständnis über Jugendliche, über Eheberatung und Verbrechensaufklärung, bis hin zur Krankheitsdiagnose. Doch "in ordnungsgemäß kontrollierten Blindstudien, bei denen die Schriftproben keinerlei nicht-graphologische Informationen enthielten (z.B. Texte, die aus Zeitschriften abgeschrieben wurden), schneiden Graphologen mit ihren Vorhersagen...verschiedener Charaktereigenschaften...nicht besser ab, als dies ein rein zufälliges Erraten vermag..." [aus: "The Use of Graphology as a Tool for Employee Hiring and Evaluation", Positionspapier der British Columbia Civil Liberties Association, 1997]. Das Geschlecht eines Schreibers etwa, können sogar Laien in etwa 70 Prozent der Fälle richtig bestimmen. [Adrian Furnham, "Write and Wrong: The Validity of Graphological Analysis," in: "The Hundredth Monkey and Other Paradigms of the Paranormal", Herausg. Kendrick Frazier, S. 204, 1991]

Graphologen bedienen sich einer Vielzahl unterschiedlicher Techniken. Nichtsdestoweniger lassen sich die Methoden dieser "Experten" auf wenige wahrgenommene Anhaltspunkte reduzieren, wie beispielsweise den auf das Papier ausgeübten Druck, den Abstand zwischen Wörtern und Buchstaben, "i"-Punkte und "t"-Balken, Größe, Winkel, Schnelligkeit und Gleichmäßigkeit des Schreibens. Und obwohl die Graphologen das immer zu bestreiten pflegen, bildet der Inhalt des Geschriebenen einen wesentlichen Faktor in der graphologischen Persönlichkeitsanalyse - wobei doch eigentlich der Inhalt einer Nachricht unabhängig von der jeweiligen Handschrift des Schreibers ist, und somit für die Auswertung ohne Belang sein sollte.

Barry Beyerstein ["Graphology", in "The Encyclopedia of the Paranormal", Herausg. Gordon Stein, S.309, 1996] erblickt in vielen der graphologischen Konzepte nichts weiter als "einfühlende Magie". Beispiel hierfür: die Ansicht, dass große Abstände zwischen den Buchstaben auf eine Neigung zu Isolation und Einsamkeit hinweisen, weil die Abstände erkennen ließen, dass der Schreiber sich nicht gern mit Menschen umgebe und persönliche Nähe als unangenehm empfinde. Ein Graphologe behauptet, dass ein Sadist sich dadurch verrate, dass seine T-Balken wie Peitschen aussehen.

Weil es keine brauchbare Theorie zu den Hintergründen der Graphologie gibt, ist es nicht verwunderlich, dass es auch keine empirischen Beweise für statistisch relevante Korrelationen zwischen graphologischen Eigenschaften und bestimmten Charakterzügen einer Person gibt.

Adrian Furnham schreibt: "Leser, die mit dem sogenannten Cold reading vertraut sind, werden verstehen, warum die Graphologie so überzeugend erscheint, und warum so viele (ansonsten durchaus intelligente) Leute an sie glauben [S. 204].

Fügt man zum Cold reading den Forer- oder Barnum-Effekt, die Neigung, den eigenen Glauben bestätigt zu finden ("Confirmation Bias", und die Bestätigung durch die Gemeinschaft hinzu, dann hat man bereits eine ziemlich umfassende Erklärung für die Beliebtheit der Graphologie.

Die Graphologie ist ein weiteres Hirngespinst in den Köpfen all jener Menschen, die gerne eine kurze und simple Antwort darauf hätten, wen sie heiraten sollen, wer ein Verbrechen begangen hat, wen sie einstellen sollen, welchen Beruf sie wählen sollen, wo die Fische besser beißen, wo Wasser, Erdöl, oder ein Schatz begraben liegen - und was sonst nicht noch alles. Graphologie ist ein weiterer Punkt in einer langen Liste von Methoden, die von Quacksalbern und Scharlatanen als Ersatz für harte Arbeit empfohlen werden.

Die Graphologie spricht all jene an, die bei solch lästigen Dingen, wie Nachforschungen, Untersuchung von Beweisen, Nachdenken, Logik und Überprüfungen von Theorien schnell die Geduld verlieren. Wenn Sie Ergebnisse wünschen - und zwar jetzt sofort und in einem keinen Widerspruch duldenden bestimmtem Ton vorgetragen, - dann ist die Graphologie genau das Richtige für Sie. Wenn Sie jedoch mit zumutbaren Wahrscheinlichkeiten und Unsicherheiten leben können, dann weichen Sie vielleicht besser auf eine andere Methode aus, die es ihnen ermöglicht, einen Lebenspartner oder einen Mitarbeiter zu suchen.

Wenn Sie allerdings kein Problem damit haben, Leute mittels Pseudowissenschaften zu diskriminieren, dann sollten Sie wenigstens konsequent sein und den richtigen Graphologen mit Hilfe eines Ouija-Brettes auswählen.


Basil, Robert. "Graphology and Personality: `Let the Buyer Beware'," in The Hundredth Monkey and Other Paradigms of the Paranormal,ed. Kendrick Frazier (Buffalo, N.Y.: Prometheus Books, 1991), pp. 206-208.

Beyerstein, Barry. "Graphology," in The Encyclopedia of the Paranormal edited by Gordon Stein (Buffalo, N.Y.: Prometheus Books, 1996), pp. 309-324. $104.95

Beyerstein, Barry and Dayle F. Beyerstein, editors, The Write Stuff - Evaluations of Graphology, the Study of Handwriting Analysis (Buffalo, N.Y.: Prometheus Books, 1991). $21.56

Furnham, Adrian. "Write and Wrong: The Validity of Graphological Analysis," in The Hundredth Monkey and Other Paradigms of the Paranormal,ed. Kendrick Frazier (Buffalo, N.Y.: Prometheus Books, 1991), pp. 200-205.

Gardner, Martin. Fads and Fallacies in the Name of Science (New York: Dover Publications, Inc., 1957), ch. 24.

 
Übersetzung: Larissa Wagner MorgenWelt, Hamburg, Germany

 

 

 

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Last updated 11/21/10