Robert Todd Carroll
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Dianetik
Ron Hubbards Ideologie ist weder Wissenschaft noch Religion - sie ist
schlicht gefährlicher Unfug
Hubbard demonstriert einen tief sitzenden Hass auf Frauen ... Wenn
Hubbards Mamas nicht von ihren Ehemännern in den Magen getreten werden
oder Liebesaffären haben, dann befassen sie sich bevorzugt mit versuchter
Abtreibung - üblicherweise durch den Einsatz von Stricknadeln."
Martin Gardner, "Fads & Fallacies in the Name of Science,"
New York: Dover Publications, 1957, S. 267
Im Jahre 1950 veröffentlichte Lafayette Ronald Hubbard sein Werk
"Dianetics: The Modern Science of Mental Health" [Herausgegeben
von The American Saint Hill Organization, Los Angeles] (deutscher Titel:
"Dianetik - Der Leitfaden für den menschlichen Verstand") [Alle
Seitenangaben beziehen sich auf die gebundene amerikanische
Originalausgabe, die Zitate stammen ebenfalls aus dieser Version des
Buches und sind von Tobias Budke übersetzt. Anm. d. Red.] Dieses Buch
ist die "Bibel" der Scientology, die als Wissenschaft, als
Kirche und als Religion bezeichnet wird. Hubbard teilt dem Leser mit,
Dianetik "... enthält eine therapeutische Technik, mit der alle
nicht-organischen Geisteskrankheiten und alle organischen
psychosomatischen Erkrankungen mit der Garantie vollständiger Heilung
behandelt werden können ..." Er behauptet, er habe die "einzige
Ursache mentaler Störungen" entdeckt (S. 6). Eine vorbeugende
Warnung findet sich jedoch auf dem Einband des Buches: Sie besagt, dass
"Scientology und ihr Teilbereich, Dianetik, wie von der Kirche
praktiziert, ... keine Personen aufzunehmen beabsichtigen, die eine
Behandlung für körperliche oder geistige Erkrankungen wünschen. Diese
seien an qualifizierte Spezialisten verwiesen, die sich mit diesen
Problemen befassen." Dieses "Dementi" scheint
offensichtlich ein Schutzmechanismus gegen den Vorwurf zu sein, man
praktiziere Medizin ohne Berufslizenz, da der Autor wiederholt darauf
beharrt, Dianetik könne so ziemlich alles heilen, was einen plage. Er
beharrt ebenso wiederholt darauf, bei Dianetik handele es sich um eine
Wissenschaft. Allerdings kann jeder, der sich mit wissenschaftlichen
Texten auskennt, schon nach den ersten paar Seiten von "Dianetik"
feststellen, dass es kein wissenschaftliches Werk und der Autor kein
Wissenschaftler ist. Dianetik ist ein klassisches Beispiel für eine
Pseudowissenschaft.
Auf Seite 5 von "Dianetik" versichert Hubbard, eine
Wissenschaft des Geistes müsse "eine einzige Ursache aller
Geisteskrankheiten, Psychosen, Neurosen, Zwangshandlungen, Verdrängungen
und sozialen Störungen" finden. Eine solche Wissenschaft müsse,
laut Hubbard, "unabänderliche wissenschaftliche Beweise über die
grundlegende Natur und den funktionalen Hintergrund des menschlichen
Verstandes" liefern und "Ursache und Heilung aller
psychosomatischen Krankheiten" verstehen. Dennoch behauptet er
gleichzeitig, es sei sinnlos, von einer Wissenschaft des Geistes zu
erwarten, sie könne eine einzige Ursache für Geisteskrankheiten finden,
da manche durch "missgebildete, zerstörte oder verletzte Gehirne
oder Nervensysteme", andere wiederum, von ärztlichen Eingriffen
verursacht würden. Trotz dieses offensichtlichen Widerspruchs fährt
Hubbard frohgemut fort und stellt fest, dass diese Wissenschaft des
Geistes "in Bezug auf die experimentelle Präzision auf einer Stufe
mit Physik und Chemie stehen würde." Danach erfahren wir, Dianetik
sei "... eine geordnete Wissenschaft des Denkens, errichtet auf
klaren Axiomen: Aussagen über Naturgesetze auf derselben Stufe wie die
der Naturwissenschaften ... " (S. 6).
Es gibt jedoch klare Hinweise darauf, dass diese sogenannte
Wissenschaft des Geistes überhaupt keine Wissenschaft ist. Einer davon
ist in der Behauptung enthalten, Dianetik sei errichtet auf "eindeutigen
Axiomen", sowie in Hubbards a priori-Wissen über die Zahl der
kausalen Mechanismen, die für alle Phänomene existieren müssten. Echte
Wissenschaft basiert auf vorläufigen Hypothesen zur Erklärung
beobachteter Phänomene. Die wissenschaftliche Ermittlung von Ursachen -
einschließlich ihrer Zahl - ist eine Sache der Entdeckung, nicht der
willkürlichen Festsetzung. Außerdem haben Wissenschaftler im allgemeinen
Respekt für logisches Denken und würden sich damit schwertun, ohne
Schalk im Nacken zu sagen: Diese neue Wissenschaft muss nachweisen, dass
es eine einzige Ursache aller geistigen Erkrankungen gibt, mit Ausnahme
der geistigen Erkrankungen, die eine andere Ursache haben.
Es gibt viele weitere Beweise für die Unwissenschaftlichkeit der
Dianetik. Hubbards Theorie des Verstandes hat nur wenig gemein mit
moderner Neurophysiologie und all dem, was über das Gehirn und seine
Funktionsweise bekannt ist. Laut Hubbard besteht der Verstand aus drei
Teilen. "Der analytische Verstand ist der Teil, der Erfahrungen
wahrnimmt und speichert, um Probleme zu erfassen und zu lösen, und den
Organismus entlang der vier Haupttriebe leitet. Er denkt in Unterschieden
und Ähnlichkeiten. Der reaktive Verstand ist der Teil des Geistes, der
den körperlichen und emotionalen Schmerz ablegt und speichert und
bestrebt ist, den Organismus ausschließlich auf einer
Reiz-Reaktions-Basis zu lenken. Dieser Teil denkt nur in Identitäten. Der
somatische Verstand ist derjenige, der - angeleitet vom analytischen oder
reaktiven Verstand - Lösungen auf der physikalischen Ebene in die Tat
umsetzt." (S. 39)
Wenn wir Hubbard glauben wollen, dann ist die einzige Ursache von
Geisteskrankheit und psychosomatischen Störungen das "Engramm".
Engramme finden sich in jedermanns "Engramm-Speicherbank", d.h.
im reaktiven Verstand. Der "reaktive Verstand", so Hubbard,
"kann bei einem Menschen Arthritis, Asthma, Allergien,
Stirnhöhlenvereiterung, Herzprobleme, hohen Blutdruck und alle weiteren
Krankheiten auf der Liste der Psychosomatik erzeugen, wobei noch einige
hinzukommen, die niemals klar als psychosomatisch eingestuft wurden, etwa
die Erkältung" (S. 51). Man sucht allerdings vergeblich nach Belegen
für diese Behauptungen und wird abgespeist mit: "Das sind
wissenschaftliche Fakten. Sie passen ausnahmslos zu den
Beobachtungsergebnissen." (S. 52).
Ein Engramm wird definiert als "eine klare und permanente Spur,
die von einem Reiz auf dem Protoplasma des Gewebes zurückgelassen wird.
Man betrachtet es als eine Einheitengruppe von Reizen, die nur das
zelluläre Wesen beeinträchtigen." (S. 60, Anmerkung). Wir erfahren,
dass Engramme nur während Phasen des körperlichen oder seelischen
Leidens aufgezeichnet werden. Während dieser Phasen macht der "analytische
Verstand" dicht, und der reaktive Verstand wird aktiviert. Der
analytische Verstand hat allerlei fantastische Eigenschaften,
einschließlich der Unfähigkeit, Fehler zu begehen. Er hat, so Hubbard,
normale Erinnerungsspeicher im Gegensatz zum reaktiven Speicher. Diese
normalen Erinnerungsspeicher zeichnen alle möglichen Wahrnehmungen auf
und sind laut Hubbard vollkommen und speichern alles Gehörte und Gesehene
ganz exakt.
Wie steht es um Beweise für die Existenz von Engrammen und ihre "feste
Verankerung" in Zellen während schmerzhafter körperlicher oder
emotionaler Erlebnisse? Hubbard sagt nichts von irgendwelchen Laborstudien,
aber er sagt:
"In der Dianetik, auf der Ebene der Laborbeobachtungen,
entdecken wir zu unserem großen Erstaunen, dass Zellen offenbar auf eine
zurzeit noch unerklärliche Art offenbar ein Bewusstsein haben. Wenn wir
also nicht eine menschliche Seele annehmen wollen, die in Sperma und Ei
bei der Zeugung eintritt, dann gibt es Dinge, die keine andere Annahme
erklären kann außer der vom wie auch immer gearteten Bewusstsein der
Zelle." (S. 71)
Diese Erklärung liegt nicht auf der "Ebene der Laborbeobachtungen",
aber sie stellt ein falsche Alternative dar und führt zu einer
Scheinfrage. Darüber hinaus hat die Theorie von Seelen, die in Zygoten
eintreten, zumindest einen Vorzug vor Hubbards: Sie basiert nicht auf
Täuschung und ist eindeutig metaphysisch. Hubbard hingegen ist bemüht,
seine metaphysischen Behauptungen im wissenschaftlichen Gewand zu
präsentieren:
Die Zellen als Gedankeneinheiten haben Einfluss, als Zellen, auf den
Körper als Gedankeneinheit und Organismus. Wir sind nicht gezwungen,
diese strukturellen Probleme zo entwirren, um unsere funktionalen
Grundannahmen zu klären. Zellen speichern offenbar Engramme von
schmerzhaften Erlebnissen. Schließlich sind sie es, die verletzt werden
...
Der reaktive Verstand könnte durchaus die kombinierte zelluläre
Intelligenz sein. Es ist nicht nötig, anzunehmen, dass es so ist, aber es
ist eine praktische Strukturtheorie angesichts des Mangels an ernsthafter
Arbeit auf dem Gebiet der Strukturen. Die reaktive Engramm-Bank könnte
aus dem Material bestehen, das die Zellen selber lagern. Es spielt im
Moment noch keine Rolle, ob dies glaubhaft oder unglaublich ist ...
Es ist eine wissenschaftliche Tatsache - beobachtet und getestet -
dass der Organismus angesichts körperlicher Schmerzen zulässt, dass der
Analysierende aus dem Kreislauf gestoßen wird und daher nur eine
begrenzte oder gar keine Menge an persönlichem Bewusstsein als
Einheitsorganismus besteht. (S. 71)
Hubbard versichert, dass diese Tatsachen auf Beobachtungen und Tests
basieren, aber tatsächlich gibt es einen "Mangel an ernsthafter
Arbeit auf diesem Gebiet". Die folgenden Beispiele sind typisch für
die "Beweise", die Hubbard für seine Engramm-Theorie liefert:
Eine Frau wird von einem Schlag getroffen. Sie "verliert das
Bewusstsein". Sie wird getreten und als Simulantin bezeichnet, sie
tauge nichts, sie sei launisch und unberechenbar. Währenddessen wird ein
Stuhl umgeworfen. Ein Wasserhahn läuft in der Küche. Ein Auto fährt am
Haus vorbei die Straße entlang. Das Engramm enthält eine laufende
Aufzeichnung all dieser Wahrnehmungen: Sicht, Geräusche, physischer
Kontakt, Geruch, organische Wahrnehmung, kinetischer Sinn, Gelenkposition,
Durst usw. Das Engramm beinhaltet alles, was die Frau wahrgenommen hat,
während sie "ohne Bewusstsein" war: Lage und Gefühlsausdruck
der Stimme, Geräusch und Gefühl der ersten und späteren Schläge, den
Kontakt mit dem Fußboden, Gefühl und Geräusch des umkippenden Stuhls,
die organische Wahrnehmung des Schlages, vielleicht auch den Geschmack von
Blut oder irgendetwas anderem im Mund, den Geruch der Person, die sie
angreift, ebenso wie die Gerüche im Zimmer, das Geräusch des
vorbeifahrenden Autos (Motor und Reifen), etc." (S. 60)
Inwieweit dieses Beispiel einen Bezug zu Geisteskrankheit oder zu
psychosomatischen Erkrankungen hat, wird von Hubbard so erklärt:
Das Engramm, das die Frau erhalten hat, enthält eine neurotische
positive Suggestion ... Man hat ihr gesagt, sie sei eine Simulantin, sie
tauge nichts, sie sei launisch und unberechenbar. Wird das Engramm dann
später auf eine der zahllosen möglichen Arten wieder ausgelöst (etwa
durch das Geräusch eines vorbeifahrenden Wagens bei gleichzeitig
laufendem Wasserhahn und einem umkippenden Stuhl), dann bekommt sie das
Gefühl, sie tauge nichts, sie sei eine Simulantin und sie werde 'mal
wieder einer Laune nachgeben. (S. 66)
Eine Methode, solche Behauptungen empirisch zu testen, kann es nicht
geben. Eine "Wissenschaft", die nur aus solchen Behauptungen
besteht, ist nichts als eine Pseudowissenschaft.
Hubbard gibt an, enorme Datenmengen seien gesammelt und nicht eine
einzige Ausnahme von seiner Theorie gefunden worden (S. 68). Wir müssen
seinem Wort vertrauen, scheint es, denn die "Datenmengen", die
er präsentiert, haben alle die Form von Anekdoten oder erfundenen
Beispielen wie dem obigen.
Ein weiteres Indiz für die Unwissenschaftlichkeit der Dianetik und der
Ahnungslosigkeit ihres Begründers in Bezug auf die wissenschaftliche
Arbeitsweise findet sich in Behauptungen wie dieser: "Mehrere
Theorien könnten aufgestellt werden, warum der menschliche Geist sich so
und nicht anders entwickelte, aber es handelt sich um Theorien, und
Dianetik befasst sich nicht mit Strukturen." (S. 69). Auf diese Art
teilt Hubbard uns mit, dass es ihn nicht kümmert, dass man Engramme nicht
beobachten kann, denn obwohl sie als permanente Veränderungen in den
Zellen definiert seien, seien sie als physikalische Strukturen
unauffindbar. Es schert ihn ebenso wenig, dass die Heilung aller
Krankheiten dann darin bestehen müsste, diese "permanenten"
Engramme aus der reaktiven Bank zu "löschen". Er gibt an, sie
würden nicht wirklich entfernt, sondern einfach in die Standard-Bank
übertragen; wie dies physikalisch oder strukturell vor sich gehen soll,
spielt offenbar keine Rolle. Es wird einfach versichert, dass es so sei -
ohne Argumente oder Belege. Hubbard wiederholt schlicht, es handele sich
um eine wissenschaftliche Tatsache, als ob dies ausreichen würde.
Noch eine "wissenschaftliche Tatsache" ist laut Hubbard der
Umstand, dass die schädlichsten Engramme im Mutterleib entstünden. Der
Mutterleib wird zu einem schrecklichen Ort; er ist "nass, unbequem
und ungeschützt" (S. 130).
Mama niest, das Baby "verliert das Bewusstsein". Mama
läuft leicht und locker gegen einen Tisch, das Baby erhält einen Schlag
auf den Kopf. Mama hat Verstopfung und das Baby wird beim Versuch des
Stuhlgangs zerquetscht. Papa gibt sich der Leidenschaft hin, und das Baby
hat das Gefühl, es sei in eine laufende Waschmaschine geraten. Mama wird
hysterisch, das Baby bekommt ein Engramm. Papa schlägt Mama, das Baby
bekommt ein Engramm. Der Kleine springt auf Mamas Schoß, das Baby bekommt
ein Engramm. Und so weiter. (S. 130)
Hubbard informiert uns, dass ein Mensch "mehr als zweihundert"
prä-natale Engramme haben könne und dass Engramme, die "man als
Zygote bekommt, potentiell die verstörendsten sind, da ganz und gar
reaktiv. Diejenigen, die man als Embryo bekommt, sind außerordentlich
verstörend. Engramme, die man als Fötus erhält, reichen für sich
genommen schon aus, um Leute in eine Anstalt zu bringen." (S. 130f.)
Wo sind die Beweise hierfür? Wie testet man eine Zygote auf
Engramm-Aufzeichnung? "All diese Dinge sind wissenschaftliche
Tatsachen, getestet, nochmal überprüft und dann wieder getestet",
meint Hubbard (S. 133). Aber sein Wort ist alles, was wir bekommen.
Wissenschaftler erwarten normalerweise nicht, dass man ihrem Ehrenwort
glaubt, wenn es um so aufsehenerregende Behauptungen geht.
Um von einer Krankheit geheilt zu werden, braucht man zusätzlich noch
einen Dianetik-Therapeuten, einen sogenannten Auditor. Wer hat diese
Qualifikation? "Jeder Mensch, der intelligent, von normaler
Beharrlichkeit und bereit ist, dieses Buch [Dianetik] gründlich zu lesen,
sollte in der Lage sein, ein Dianetik-Auditor zu werden" (S. 173).
Der Auditor muss "dianetische Träumerei" verwenden, um eine
Heilung zu erzielen. Ziel der dianetischen Therapie ist die Herstellung
eines "release" oder eines "clear" [AdÜ: Diese
Begriffe werden auch im deutschen Sprachraum in ihrer englischen Form
verwendet. Ihre Bedeutung ist etwa "Freigelassener" bzw. "Reiner"].
Beim Ersteren wurden starke Stress- und Angsterlebnisse durch Dianetik
entfernt; der Letztere hat weder aktive noch potenzielle psychosomatische
Krankheiten oder Störungen (S. 170). "Ziel und einziger Zweck der
Therapie ist die Entfernung des Inhaltes der reaktiven Engramm-Bank. Bei
einem release wird ein Großteil der emotionalen Beschwerden aus der Bank
gelöscht; bei einem clear wird alles entfernt" (S. 174). Die "Träumerei",
die man einsetzt, um diese Wunder zu erzielen, wird als intensivierte
Verwendung einer speziellen Fähigkeit des Gehirns beschrieben, die
jedermann besitze, die aber "der Mensch durch ein merkwürdiges
Übersehen niemals zuvor entdeckt hat" (S. 167).
Hubbard hat also etwas entdeckt, das zuvor nie jemand gefunden hat, und
doch geht seine Beschreibung der "Träumerei" nicht über die
eines Menschen hinaus, der stillsitzt und einem anderen seine Probleme
erzählt (S. 168). Beeindruckend zusammenhanglos verkündet er dann, dass
dieses "Auditing" "vollständig aus dem Bereich der
existierenden Gesetzgebung" herausfalle, anders als Psychoanalyse,
Psychologie und Hypnose, die alle "auf irgendeine Weise ein
Individuum oder die Gesellschaft schädigen können" (S. 168f). Es
wird jedoch nicht klar, warum das Erzählen von Problemen eine monumentale
Entdeckung sein sollte - oder warum Auditoren andere Menschen, oder die
Gesellschaft nicht schädigen könnten, insbesondere, da Hubbard ihnen
rät: "Bewerten Sie niemals das Datenmaterial ... stellen Sie den
Wert der Daten nie in Frage. Behalten Sie Ihre Bedenken für sich"
(S. 300). Das klingt nicht wie ein Wissenschaftler, der seinen Schülern
einen vernünftigen Rat gibt; es klingt wie ein Guru, der seine Jünger
anweist.
Dem, was Hubbard seinem Leser als Wissenschaft des Geistes verkaufen
will, mangelt es sehr an einem entscheidenden Bestandteil, den man von
Wissenschaft erwarten darf: empirische Tests von Hypothesen. Die
entscheidenden Bestandteile von Hubbards sogenannter Wissenschaft scheinen
nicht testbar zu sein, und doch behauptet er wiederholt, er verwende nur
wissenschaftliche Tatsachen und Daten aus vielen Experimenten. Es wird
noch nicht einmal deutlich, wie solche "Daten" beschaffen sein
könnten; das meiste Material liegt in Form von Anekdoten und
Spekulationen vor, wie die über eine Patientin, die glaubt, ihr Vater
habe sie mit neun Jahren vergewaltigt. "Viele geisteskranke
Patientinnen behaupten so etwas," sagt Hubbard und fährt dann fort,
indem er angibt, die Patientin sei tatsächlich 'vergewaltigt' worden
"neun Tage nach der Zeugung ... Druck und Durcheinander des Koitus
sind sehr unbequem für das Kind und führen normalerweise zu einem
Engramm, das den Geschlechtsakt und alles dabei Gesagte enthalten wird"
(S. 144). Spekulationen dieser Art gehören in einen Roman, aber nicht in
die Wissenschaft.
Anmerkung des Übersetzers:
Über Hubbard ist außerordentlich viel geschrieben worden,
insbesondere mit Bezug auf Scientology; die Dianetik war insofern deren
Vorläuferin, da Hubbard aus steuerlichen Gründen für seine Therapie den
Status einer Religion beanspruchte (bereits 1951 folgte Hubbards Werk
"Science and Survival", das die Dianetik deutlich in Richtung
religiöse Sekte auf Kurs brachte). Colin Goldner berichtet von einem
Fall, in dem ein Münchner Ingenieur DM 176.000,- an Kursgebühren
bezahlte, bevor er wieder zu sich kam und Scientology verklagte; die
"psychologischen" Methoden der Kirche gehen samt und sonders auf
die Dianetik zurück. Man kann sich Hubbards Ideen gar nicht absurd genug
vorstellen. So gibt es bei Scientology nicht nur einfach
"clears", sondern noch zahlreiche höhere Stufen,
"Operative Thetanen (OT)" genannt, offenbar Übermenschen mit
Macht über Raum und Zeit. In kostspieligen Kursen kann man sich vom
"clear" zum "OT 1", "OT 2" und so weiter
hocharbeiten, vermutlich ohne Ende. Hubbard ließ die angeblichen
Fähigkeiten einer "clear" namens Sonya Bianca 1950 vor 6.000
Zuschauern demonstrieren; die Demonstration scheiterte und das Publikum
war so verärgert, dass es in Scharen abwanderte. Hubbard selbst gab
damals zu, er sei kein "clear", aber später liest man
Behauptungen wie die, er habe den Himmel besucht, und zwar
"43.891.832.611.177 Jahre, 344 Tage, 10 h, 20 min, 40 sec vor dem
9.5.1963, 22.02:30 Uhr". "Die Bedeutung dieser Aussage entgeht
den meisten Menschen" (James Randi). Hubbard begann als
Science-Fiction-Autor des sogenannten "Goldenen Zeitalters",
lenkte seine SF-Phantasien aber rasch in profitablere Bahnen;
zwischenzeitlich war er Mitglied im OTO, der okkulten Vereinigung von
Aleister Crowley und wurde mitsamt seiner Dianetik lange Zeit von dem
Herausgeber des SF-Magazins "Astounding", John Campbell Jr,
unterstützt. Hubbard, geboren 1911, starb 1986, obwohl seine "Kirche"
dies niemals zugegeben hat. Vermutlich betrachtet sie ihn als "entrückt".
Literaturempfehlungen:
Atack, Jon: "A Piece of Blue Sky: Scientology, Dianetics, and L.
Ron Hubbard Exposed", New York: Carol Pub. Group, 1990
Gardner, Martin: "Fads and Fallacies in the Name of Science".
New York: Dover Publications, Inc., 1957, chapter 22
Gardner, Martin: "The New Age. Notes of a Fringe-Watcher",
Buffalo: Prometheus Books, 1991, chapter 32
Miller, Russell: "Bare-Faced Messiah. The True Story of L. Ron
Hubbard" Henry Holt, 1988
Nordhausen, Frank/v. Billerbeck, Liane: "Psycho-Sekten. Die Praktiken
der Seelenfänger", Frankfurt a.M., Fischer, 1999, S. 421-474;
Übersetzung: Tobias Budke MorgenWelt, Hamburg,
Germany
© 2000, MorgenWelt, Hamburg
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