Robert Todd Carroll |
AstrologieMillionen von Menschen glauben
Die Astrologie ist in ihrer klassischen Form eine Form der Weissagung, begründet auf der Annahme, dass die Positionen und Bewegungen der Himmelskörper (Sterne, Planeten, Sonne und Mond) zum Zeitpunkt der Geburt das Leben eines Menschen tiefgreifend beeinflussen. In ihrer psychologischen Variante stellt die Astrologie sich als New-Age-Therapie dar, die zur Selbsterkenntnis und Persönlichkeitsanalyse verwendet wird. Dieser Beitrag befasst sich ausschließlich mit klassischer Astrologie. Die am meisten verbreitete Form der Astrologie ist die "Sternzeichen-Astrologie", wie man sie in vielen Tageszeitungen und Magazinen in Form von Horoskopen findet. Ein Horoskop ist eine astrologische Voraussage; der Begriff wird aber auch für eine Karte des Tierkreises zum Zeitpunkt der Geburt verwendet. Der Tierkreis ist in zwölf Zonen unterteilt, jede nach einem Sternbild benannt, das ursprünglich in dieser Zone stand (Stier, Löwe ...). Die scheinbaren Wege von Sonne, Mond und den großen Planeten liegen alle im Tierkreis. Aufgrund der Wanderung ("Präzession") der Tagundnachtgleichen haben sich Winter- und Sommersonnenwende in den vergangenen 2000 Jahren um etwa 30 Grad nach Westen bewegt. Deshalb stimmen die in der Antike festgelegten Sternbilder heute nicht mehr mit den Teilen des Tierkreises (den "Sternzeichen") überein, die nach ihnen benannt wurden. Wären Sie am gleichen Tag des Jahres zur gleichen Uhrzeit vor 2000 Jahren geboren worden, hätten Sie also ein anderes Sternzeichen gehabt. Die klassische westliche Astrologie lässt sich in eine "solare" und eine "siderische" Astrologie unterteilen (andere Kulturen verwenden andere Systeme). Das solare (oder Sonnen-) Jahr wird relativ zur Sonne gemessen und hat eine Dauer von 365 Tagen, 5 Stunden, 48 Minuten und 46 Sekunden, d.h. die Zeit, die zwischen zwei Wintersonnenwenden verstreicht. Das siderische Jahr dauert 365 Tage, 6 Stunden, 9 Minuten und 9,5 Sekunden; es misst die Zeit eines kompletten Erdumlaufs um die Sonne, gemessen relativ zu den Sternen. Das siderische Jahr ist wegen der Wanderung der Tagundnachtgleichen länger als das solare. Diese Wanderung ist auf das Taumeln der Rotationsachse der Erde relativ zur Erdbahn zurückzuführen. Die siderische Astrologie verwendet das tatsächliche Sternbild, in dem sich die Sonne bei der Geburt befindet, als Grundlage. Die solare Astrologie dagegen verwendet einen 30 Grad großen Abschnitt des Tierkreises. Letzteres Verfahren erfreut sich der größeren Beliebtheit, die siderischen Astrologie wird nur von einer Minderheit von Astrologen vertreten. Eines der häufigsten Argumente für die Astrologie lautet "Astrologie wird von Millionen von Menschen geglaubt und hat Jahrtausende überdauert." Diese Angaben stimmen zwar, sind aber völlig irrelevant, wenn es um den Wahrheitswert der Astrologie geht. Die antiken Chaldäer und Assyrer beschäftigten sich schon vor dreitausend Jahren mit astrologischer Wahrsagung. Bis zum Jahre 450 v.Chr. hatten die Babylonier den noch heute verwendeten 12er-Tierkreis entwickelt, aber es waren die alten Griechen - von Alexanders Zeit bis zur Eroberung durch die Römer, also etwa von 340 v.Chr. bis 140 v.Chr - welche die meisten grundlegenden Elemente der heutigen Astrologie schufen. Die Verbreitung astrologischer Praktiken wurde durch den Aufstieg des Christentums mit seiner Betonung von göttlichem Eingreifen und freiem Willen Einhalt geboten. In der Renaissance kam die Astrologie dann wieder stärker in Mode, teilweise hervorgerufen durch das aufsteigende Interesse an Wissenschaft und Astronomie. Christliche Theologen warnten jedoch vor der Astrologie, 1585 wurde sie von Papst Sixtus V. verurteilt. Zur gleichen Zeit begannen die Arbeiten Keplers und anderer Astronomen, die Behauptungen der Astrologie zu untergraben. Korrelation impliziert nicht Kausalität Oft wird behauptet, die Astrologie sei wissenschaftlich überprüfbar und es gebe tatsächlich Beweise für eine ursächliche Verbindung zwischen Himmelskörpern und irdischen Ereignissen. So werden, glaubt man an den sogenannten "Mars-Effekt", Spitzensportler nicht gemacht, sondern geboren. Diese Behauptung beruht auf einer statistischen Analyse der Stellung des Planeten Mars zum Geburtszeitpunkt berühmter Sportler: Es ergebe sich dabei eine Korrelation, die größer sei als durch reinen Zufall möglich. Kritiker widersprechen dem und meinen, die Belege zeigten keine solche Korrelation. Doch selbst, wenn es eine solche Korrelation zwischen den Geburtstagen berühmter Sportler und der Position des Mars geben sollte, bedeutet dies nicht, dass es eine kausale Verbindung zwischen einer Planetenposition und den Begabungen gibt. Eine Korrelation zwischen zwei Größen A und B ist keine hinreichende Bedingung für die Überzeugung, dass A der Verursacher von B ist. Korrelation ist nicht gleich Kausalität. Trotzdem sind Korrelationen natürlich außerordentlich attraktiv, wenn man die Astrologie verteidigen will: "Bei 3458 Soldaten fand sich Jupiter 703mal entweder in aufsteigender oder in höchster Position, als sie geboren wurden. Die Wahrscheinlichkeit hierfür: 1 Million zu 1." (Gauquelin). Aber selbst wenn man annimmt, dass das statistische Material, das eine signifikante Korrelation zwischen den verschiedenen Planeten auf ihrem Aufstieg, Fall, Höhepunkt und wo auch sonst immer zeigt, akkurat ist - es wäre doch wesentlich überraschender, wenn bei all den Milliarden und Abermilliarden von denkbaren himmlischen Bewegungsabläufen und Positionen nicht wenigstens ein paar dabei wären, die sich signifikant mit größeren Ereignissen oder individuellen Charakterzügen korrelieren lassen. Man muss nur genügend unterschiedliche Größen miteinander verknüpfen, um schließlich auch einmal auf statistisch unwahrscheinliche - und damit für die Astrologen scheinbar signifikante - Korrelationen zu stoßen. Die Begeisterung für Korrelationen jeder Art findet sich auch in den Überlegungen derjenigen, die versuchen, aus jeder urzeitlichen Megalithenstätte eine Art astronomisches Observatorium zu machen. Vertreter der Astrologie sollten zur Kenntnis nehmen, was Aubrey Burl über diese Art von Schlussfolgerungen schrieb: "...in beinahe jedem Kreis ist die Wahrscheinlichkeit für eine zufällige gute Sichtlinie zum Himmel groß. Man denke an eine Stätte wie Grey Croft, Cumberland [...] 27,10 mal 24,40 Meter groß, mit zwölf Steinen und einem weiteren außerhalb stehenden; dort gibt es so viele mögliche Linien und so viele denkbare Ziele, dass es unwahrscheinlich ist, gar nichts zu finden." (Burl, S. 50). Obgleich es stimmt, dass die Chancen auf zwanzig Mal hintereinander "Rot" beim Roulette sehr gering sind - es ist schon vorgekommen: Bei einer ausreichenden Menge von Rouletterunden verwandeln sich schließlich selbst sehr unwahrscheinliche Ereignisse in regelmäßig auftauchende. Kurz: Ereignisse, die den Gesetzen der Statistik zu widersprechen scheinen, tun es nicht mehr, wenn man sie sorgfältiger untersucht. Fruchtwassermeer und Geburtszeitpunkt Anhänger der Astrologie verweisen gern darauf, dass die Länge des Menstruationszyklus der Umlaufzeit des Mondes um die Erde gleicht - und dass schließlich die Schwerefelder von Sonne und Mond ausreichen, um das Heben und Senken der Gezeiten auf der Erde zu verursachen. Wenn der Mond Ebbe und Flut beeinflusst, dann doch sicher auch einen Menschen. Wir dürften doch nicht vergessen, dass das Leben in einem "Fruchtwassermeer" seinen Anfang nimmt und dass der menschliche Körper zu 70 Prozent aus Wasser besteht! Da Austern ihre Schalen im Einklang mit den Gezeiten öffnen und schließen, die wiederum auf die Gravitation von Sonne und Mond zurückgehen, und Menschen voller Wasser sind, ist es dann nicht offensichtlich, dass auch Menschen vom Mond beeinflusst werden? Offensichtlich vielleicht - aber die wissenschaftliche Forschung hat keinerlei Beweise für solche Zusammenhänge gefunden. Astrologen betonen stets die Wichtigkeit der Sonnen-, Mond- und Planetenpositionen zum Zeitpunkt der Geburt. Doch warum sind diese Anfangsbedingungen wichtiger als die späteren Einflüsse der Himmelskörper, wenn es um die Persönlichkeit und Charaktereigenschaften geht? Wieso nimmt man die Geburt und nicht die Zeugung als bedeutungsschweren Augenblick? Weshalb sind die sonstigen Bedingungen - wie Gesundheit der Mutter, Ort und Umstände der Geburt, Zange, helle Lichter, dunkler Raum, Rücksitz eines Autos usw. nicht wichtiger als die Frage, ob Mars gerade aufsteigt, absteigt oder so gerade eben den Klassenerhalt schafft? Und aus welchem Grunde stellt der Planet Erde, der uns bei der Geburt viel näher ist, nicht einen bedeutenden Einfluss auf unser Sein und Werden dar? Wie kann ein Astrologe überhaupt zuverlässig erfahren, wann sein Klient "geboren" wurde? Eine Geburt ist kein punktueller Vorgang, sondern sie zieht sich hin. Der Umstand, dass jemand irgendwo eine offizielle Geburtszeit notiert, ist für den tatsächlichen Vorgang bedeutungslos. Ist für das Horoskop der Moment wichtig, in dem die Fruchtblase platzt? Oder der Zeitpunkt der Öffnung des Muttermundes? Der Augenblick, in dem sich das erste Härchen oder Zehnägelchen erkennen lässt? Oder besser der Moment, in dem das letzte Härchen oder Zehnägelchen die Scheide verlässt? Das Durchtrennen der Nabelschnur? Vielleicht der erste Atemzug des Babies? Möglicherweise auch der Zeitpunkt, an dem Ärztin oder Schwester endlich einen Blick auf die Uhr werfen (die zweifellos überirdisch genau geht!), um den Geburtszeitpunkt zu notieren. Niemand würde jemals die Behauptung aufstellen, man müsse die Anfangsbedingungen der Singularität vor dem Urknall kennen, um die Auswirkungen des Mondes auf die Gezeiten oder auf den Kartoffelanbau zu verstehen - oder die Position von Sternen und Planeten zum Zeitpunkt der Ernte. Wenn man wissen möchte, wann morgen Ebbe ist, dann ist es nicht erforderlich, sich darüber zu informieren, wo der Mond stand, als der erste Ozean oder der erste Fluss der Weltgeschichte gebildet wurde - oder ob der Ozean vor dem Mond da war oder umgekehrt. Die anfänglichen Bedingungen sind stets völlig unwichtig gegenüber den gegenwärtigen - ob es um Gezeiten oder Gemüseanbau geht. Warum also sollte das nicht auch für Menschen gelten? Schlechte Statistik - aber zufriedene Kunden Trotz allem gibt es Leute, die an Astrologie glauben und von der Genauigkeit professioneller Horoskope überzeugt sind. Einer meiner Kollegen, ein Geschichtslehrer mit Doktortitel der Universität von Kalifornien, praktiziert Astrologie. Er ist natürlich technisch auf der Höhe und hat ein Computerprogramm, das ihn bei seinen Analysen unterstützt. Er ist sich aller Argumente gegen Astrologie bewusst und gibt sogar zu, dass sie rein logisch betrachtet nicht funktionieren dürfe. Trotzdem glaubt er daran. Diese Vorstellung von "funktionieren" ist interessant. Was bedeutet sie? Im Grunde bedeutet die Behauptung, Astrologie "funktioniere", dass es zahlreiche zufriedene Kunden gibt. Sie bedeutet nicht, dass Astrologie korrekt menschliches Verhalten oder Ereignisse mit einer Wahrscheinlichkeit voraussagen kann, die signifikant größer ist als die Zufallsverteilung. Hauptsächlich sind es Erfahrungsberichte, mit denen das "Funktionieren" der Astrologie untermauert wird. Es gibt viele zufriedene Kunden, die daran glauben, dass ihr Horoskop sie präzise beschreibt und dass ihre Astrologin ihnen gute Ratschläge erteilt hat. Belege dieser Art haben keine Beweiskraft für die Astrologie, sondern demonstrieren vielmehr die Voreingenommenheit zugunsten der Bestätigung eigener Überzeugungen. Gute Astrologen geben vielleicht gute Ratschläge, aber das sagt nichts über die Astrologie aus. Mehrere Untersuchungen haben gezeigt, dass Menschen dazu neigen, selektiv zu denken und jedes für sie erstellte Horoskop so zu interpretieren, dass es mit den Vorstellungen übereinstimmt, die sie ohnehin von sich und ihrem Horoskop haben. Viele der Behauptungen, die über Sternzeichen und Persönlichkeitstypen aufgestellt werden, sind vage und passen auf viele Menschen mit vielen verschiedenen Sternzeichen. Sogar Berufsastrologen, die nichts als Verachtung für die typische Sternzeichenastrologie haben, können ein korrektes Horoskop nicht mit signifikanter Wahrscheinlichkeit erkennen. Und doch behält die Astrologie ihre Popularität, ungeachtet des Umstandes, dass es nicht den Hauch eines wissenschaftlichen Beweises gibt. Sogar die ehemalige First Lady der USA, Nancy Reagan, konsultierte gemeinsam mit ihrem Mann Ronald eine Astrologin während der acht Jahre, in denen er der "Führer der freien Welt" war. Daraus kann ich nur schließen, dass Astrologen mehr Einfluss haben als ihre Sterne. Ist es vielleicht denkbar, dass ich aufgrund der Position von Planeten, Sternen, Monden, Kometen, Asteroiden, Quasaren und Schwarzen Löchern zum Zeitpunkt meiner Geburt so wurde, wie ich bin? Sicher. Gibt es irgendeinen Grund dafür, zu glauben, dass diese Möglichkeit größer ist als die gegenteilige, nämlich dass all diese Positionen bedeutungslos für mein Schicksal sind? Nein. Ich für meinen Teil kann keinen einzigen guten Grund dafür finden, so etwas zu glauben. Aber ich bin ein Stier - und man weiß ja, wie dickköpfig Stiere sind. Übersetzung: Tobias BudkeMorgenWelt, Hamburg, Germany
Burl, Aubrey. The Stone Circles of the British Isles (New Haven and London: Yale University Press, 1976). Gauquelin, Michel. "Spheres of Influence," Psychology Today [Brit], No. 7, October 1975, pp. 22-27; reprinted in Philosophy of Science and the Occult (Albany: State University of New York Press, 1990), Jerome, Lawrence E. Astrology Disproved (Amherst, NY: Prometheus Books, 1977). Kelly, I.W. , G.A. Dean and D.H. Saklofske, "Astrology, A Critical Review," in Philosophy of Science and the Occult (Albany: State University of New York Press, 1990), 2nd edition, editor Patrick Grim; pp. 51-81. Kelly, I.W. "Modern Astrology: A Critique," Psychological Reports, 1997, 81, 1035-1066. Kelly, I.W. "Why Astrology Doesn't Work," Psychological Reports, 1998, 82, 527-546. Martens, R., & Trachet, T. (1998) Making Sense of Astrology (Amherst, NY: Prometheus Books, 1998). |
|
|
©copyright 2002 Robert Todd Carroll |
Last updated 11/21/10 |