Robert Todd Carroll
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Amway
Amway ist der größte
Strukturvertrieb der Welt. Es handelt sich um eine Multimilliardenfirma,
deren Grundlage der Verkauf von so unterschiedlichen Produkten wie Seife,
Wasserreiniger, Vitamintabletten und Kosmetika bildet. Amway-Vertreter
weisen gerne darauf hin, dass ihre Produkte höchsten Ansprüchen genügen,
ihre Firma sehr groß ist (etwa 1.8 Millionen Vertreter und ein
Verkaufsvolumen von 5,4 Milliarden Dollar im Jahre 1997) und dass Amway
Geschäfte mit Giganten wie Coca-Cola und MCI macht.
Bei Amway wird man "unabhängiger" Vertreiber von Amway-Produkten,
indem man für ein paar Hundert Dollar Produkte von demjenigen kauft, der
einen anheuert und als "upline" bekannt ist. Jeder Vertreiber
versucht nun seinerseits, weitere Vertreiber zu gewinnen. Das Einkommen
setzt sich zusammen aus dem Verkauf von Produkten plus "Boni",
die man aus den Verkäufen erhält, die ein selber angeheuerter Vertreiber
und die von diesem angeheuerten Vertreiber machten.
Nachfolgend die Beschreibung des Amway-Vertreiber Bob Queenan über das
System von Amway:
Wenn ich in diesem Monat für 200 Dollar Amway-Produkte kaufe, erhalte
ich einen Bonus von 3% (also 6 Dollar). Teile ich dieses Geschäft mit
neun weiteren Leuten und jeder von uns kauft für 200 Dollar Amway-Produkte,
dann erhält jeder von ihnen diesen Bonus, aber ich habe insgesamt 2.000
Dollar eingebracht, was mich auf die 12%-Stufe hochbringt. Somit bekomme
ich 240 Dollar. Allerdings bin ich für die Boni der Leute unter mir
verantwortlich - 54 Dollar - und kann 186 Dollar behalten. Ich verdiene
mehr, weil ich mehr geleistet habe, nämlich neun Leute zu finden, die mit
Rabatt kaufen und dafür einen Bonus bekommen wollen. Nach Erreichen der
25%-Stufe treten noch andere Boni in Kraft, aber sie basieren alle auf dem
Produktverkauf und nicht auf der Zahl der angeheuerten Mitarbeiter oder
Vertreiber.
Verteidiger von Amway nehmen Anstoß daran, dass diese Verkaufs- und
Rekrutierungsmethode mit einem Pyramiden- oder Kettenspiel verglichen wird.
Es stimmt, dass ein Strukturvertrieb wie Amway kein illegales
Pyramidenspiel ist: Nachdem Amway beschuldigt wurde, ein illegales
Pyramidenspiel zu betreiben, haben die Gerichte entschieden, dass die
Firma, da sie Geld weder für den Einstieg noch für das Privileg fordert,
andere Personen anzuheuern, keine illegale Pyramide darstelle - illegale
Pyramidenspiele und Kettenbriefe haben kein Produkt zu verkaufen. Amway
hingegen hat jede Menge davon, vor allem Haushaltswaren: vom Waschmittel
bis zur Vitamintablette, von Kosmetika bis zu Wasserfiltern. Amway ist ein
also legales Pyramidenspiel.
Es gibt mehrere eindeutige Aspekte eines Strukturvertriebs, die eine
Bezeichnung als legales Pyramidenspiel rechtfertigen. Einer von diesen ist,
dass das Einkommen eines Vertreibers nicht vor allem von seinen eigenen
Amway-Produktverkäufen abhängt, sondern von den Verkäufen, die jene
Personen machen, die er angeworben hat. In der Praxis ist das recht
kompliziert, Bob Queenan beschreibt sie so:
Kommen wir zu den tatsächlichen Mechanismen. Wenn mein Produktvolumen
niedrig ist, ist es sinnvoll, meine Bestellung mit anderen zu kombinieren,
um den Papierkram zu verringern. Also bestelle ich bei Amway, indem ich
meinen "upline" anrufe und meine Bestellung aufgebe. Dieser
packt meine Bestellung mit anderen zusammen und nimmt direkten Kontakt zu
Amway auf. Die Firma liefert normalerweise direkt zum "upline"
und wir fahren zu ihm und holen unsere Produkte ab, aber ich wohne zu weit
weg, als dass dieses Verfahren sinnvoll wäre. Also bestelle ich durch
meinen "upline", aber erhalte direkte Lieferungen vom Amway.
Verkaufe ich an andere Vertreiber? Nein, wir kaufen alle direkt von
Amway. Erhalten andere Vertreiber ihre Produkte durch mich? Ja, ich
sammele die Bestellungen und schicke sie zu Amway.
Bekomme ich Geld von meinen Vertreibern? Ja, für die Produkte, die sie
kaufen. Ich mache eine Sammelüberweisung an Amway.
Profitiere ich davon, wenn meine Vertreiber mehr kaufen? Ja - sie tun
es, aber ich auch.
Kommt mein Bonus von ihrem Geld? Nein, es kommt aus dem Bonustopf, der
gefüllt wird mit dem Geld, das man durch das Fehlen von Mittelsmännern
spart.
Irgend etwas scheine ich hier verpasst zu haben - sind die Vertreiber
nicht ihre eigenen Mittelsmänner? Verkaufen die Vertreiber nicht wiederum
an andere Vertreiber? Steigt das Einkommen nicht vor allem dadurch, dass
man neue Mitglieder für die Organisation rekrutiert? Ist nicht das
Unternehmen Amway der große Gewinner dabei?
Ein Amway-Kunde kauft nicht nur ein Waschmittel, er wird vielmehr
angeworben als Geistlicher für einen Glauben mit einer komplizierten
Buchhaltung. Sie fragen sich, warum geht man nicht einfach hinüber zum
Supermarkt und kauft Seife ein? Weil der Vertreter jemand ist, den Sie
kennen, oder mit dem Sie gemeinsame Bekannte haben - und er lädt Sie zum
Kaffee ein und erzählt Ihnen von einer wunderbaren Gelegenheit. Die
Chancen stehen gut, dass Sie etwas kaufen, sei es aus Freundlichkeit oder
weil Sie tatsächlich Seife oder Vitamintabletten brauchen.
Möglicherweise werden Sie selber Amway-Vertreter. In beiden Fällen macht
der Vertreter, der Ihnen Seife oder Vitamintabletten verkauft, einen
Profit. Werden Sie selber Vertreter, dann geht ein Anteil von jedem
Verkauf, den Sie machen, an Ihren Anwerber. Neue Mitarbeiter werden nicht
hauptsächlich durch den Reiz, als Hausierer Amway-Produkte zu verkaufen,
Teil des Systems, sondern vor allem durch die Gelegenheit, Amway selber an
andere zu verkaufen, die - so hofft man - dasselbe tun werden. Die
Produkte scheinen zweitrangig, verglichen mit der Anwerbung. Dennoch
werden die Vertreiber über wenig mehr sprechen als die hohe "Qualität"
der Produkte. Die Rechtfertigung für einen Strukturvertrieb ist die hohe
Produktqualität. Der eigentliche Antrieb für den Vertreiber ist jedoch
die Möglichkeit, Geld durch die Verkäufe anderer zu verdienen, nicht
durch den Verkauf selber.
Wenn das jährliche Verkaufsvolumen von Amway 5,4 Milliarden Dollar
beträgt und es 1,8 Millionen Vertreiber gibt, dann liegt der
Verkaufsumfang des durchschnittlichen Vertreibers bei etwa 3.000 Dollar im
Jahr. Sind davon 30% Gewinn, dann nimmt ein Vertreiber 900 Dollar im Jahr
ein. Klebniov gibt an, dass das Durchschnittseinkommen bei 780 Dollar
liegt, der gewöhnliche Vertreiber aber für 1.068 Dollar im Jahr Amway-Produkte
kauft - dazu kommen noch Telefonrechnungen, Sprit, Motivationstreffen,
Werbungsmaterial und andere Ausgaben, um das Geschäft zu erweitern.
"Der durchschnittliche Vertreiber verkauft nur etwa 19% seiner
Produkte an Kunden, die nichts mit Amway zu tun haben," schreibt
Klebniov. "Der Rest dient entweder dem persönlichen Verbrauch oder
wird an andere Vertreiber verkauft." In den USA hat die FTC (Federal
Trade Commission, US-Kartellamt) Amway auferlegt, ihre Produkte mit der
Aufschrift zu versehen, dass 54% der Amway-Vertretern nichts und die
restlichen im Durchschnitt 65 Dollar pro Monat verdienen. Solche Aufkleber
sind in anderen Ländern nicht vorgeschrieben, aber die Fakten sind klar:
Die meisten Menschen, die bei Amway einsteigen, machen kein Geld.
Weit entfernt davon, ihr Einkommen aufzubessern, wird die
überwältigende Mehrheit der Amway-Vertreiber, insbesondere innerhalb des
"Systems", nichts als Verluste machen.
Der Großteil des Reichtums, über den die Handvoll von Top-Vertreibern
in diesem Land verfügt, kommt nicht nur aus dem Vertrieb von Amway-Produkten,
sondern vom Verkauf von Motivationshilfen, der Organisation von Seminaren
und dem Veranstalten von Versammlungen für diejenigen unter ihnen. (Tony
Thompson: "The Hidden Persuaders", in: Time Out, June 22-29,
1994)
Amway hat sehr wenige Menschen sehr reich gemacht, während das
Fußvolk eher Inspiration erhält als Geld. Daran ist nichts Neuartiges in
der Geschichte der Wirtschaft. Was neuartig ist, sind Vertrauen, Hingabe
und Hoffnung, die das Fußvolk an den Tag legt.
Kritiker haben Amway mit einem Kult verglichen, dessen Hauptprodukt
Amway selber ist. Die Amway-Leute haben gewiss Ähnlichkeit mit Anhängern
einer Religion. Sie setzen großes Vertrauen in die Firma, ihre Produkte,
und die Hoffnung auf Reichtum und Vorruhestand. Sie nehmen an Seminaren
und Versammlungen teil, die einen an Treffen von Wiedergeborenen Christen
erinnern und auf denen die Macht des positiven Denkens den Glauben an
Jesus ersetzt (oder begleitet). An Stelle einer Parade von Menschen, die
durch ihren Glauben geheilt wurden, versorgt man die Amway-Gläubigen mit
Bekenntnissen zur Frührente in Wohlstand. Obwohl Amway gelegentlich
beschuldigt wurde, die Abgefallenen zu verfolgen, scheint die Hingabe an
Amway doch mehr oder weniger harmlos zu sein. Amway unterscheidet sich
offenbar nicht sehr von anderen eifernden Großkonzernen, die positives
Denken über das Geschäft des Geschäftemachens in endlosen
motivationsfördernden Seminaren, Treffen, Büchern, Kassetten,
Broschüren und so weiter predigen.
Der Engländer Graham Baldwin vergleicht ein Amway-Motivationstreffen
mit einer Erweckungs- oder Kultversammlung. Der ehemalige
Universitätskaplan versucht, Menschen mit seinem Programm
("Catalyst") dabei zu helfen, sich von religiösen Kulten zu
lösen. Kurz nach einer seiner Sendungen erhielt er einen Anruf von einem
Mann, der erklärte, wie die Gruppe, der er ein Jahr zuvor beigetreten
war, dabei war, langsam sein Leben zu übernehmen. Es gab große
monatliche Treffen an Orten wie dem Wembley Conference Centre, auf denen
er und Tausende von Anhängern in leidenschaftliche Raserei versetzt und
dann aufgefordert wurden, hinauszugehen und so viele Leute wie möglich
anzuwerben. Es gab eine machtvolle Doktrin, die das Fernsehen, die
Zeitungen und andere "negative" Einflüsse verachtete, es gab
eine strikte Kleiderordnung und Ratschläge, wie man Kinder erziehen und
Beziehungen pflegen solle. Und es herrschte die Angst vor, dass ein
Aussteigen das Ende der Hoffnung auf eine glückliche Zukunft bedeute.
Nachdem er jedoch die Sendung Baldwins gesehen hatte, gab der Mann an,
er sei einer Gedankenkontrolle unterzogen und von seinen Oberen
manipuliert worden. Er bat um Tips, wie er aussteigen könne. Baldwin
fragte ihn daraufhin, welchem Kult er angehöre. Er antwortet: "Es
ist kein Kult. Es ist keine Religion. Es ist Amway."
Manchem der Amway-Kritiker mag Amway wie ein religiöser Kult
erscheinen, aber andere sehen es als reines Hütchenspiel. Die Geistlichen
dieser Konfession wirken ihre Magie dadurch, dass sie andauernd hinweisen
auf: die Qualität der Produkte, ihr Eintreten für Ethik, den Reichtum
ihrer Firma, ihre Verbindungen zu Coca-Cola oder MCI, die Behauptung, sie
sparten Geld für Mittelsmänner oder Werbung, und die zahlreichen
Bekenntnisse derjenigen Gläubigen, die durch das Tal des Todes gegangen
sind und Berggipfel mit Säcken voll Geld erreicht haben. In der
Zwischenzeit bemerkt man nicht, dass die Produkte in ihrer Bedeutung
eindeutig hinter dem Anwerbevorgang zurückbleiben, mit dem man neue Leute
findet, die diese Produkte verkaufen sollen. Man sieht ebensowenig, dass
Reichtum und Verbindungen der Firma keinerlei Relevanz für die
Versprechungen von Reichtum für die Millionen angeworbener Vertriebsleute
haben. Auch ist einem nicht klar, dass viele Kosten - so etwa für Versand,
Lieferung, Formulare, Werbung und Fahrten mit dem eigenen Auto zum Abholen
oder Ausliefern - von den Vertreibern selber übernommen werden. Genau so
wenig wird man des Umstandes gewahr, dass - obwohl einige wenige Leute
anständig oder sogar mehr als anständig davon leben - die Chancen des
einzelnen Vertreibers, reich zu werden, unglaublich klein sind. Während
die Anführer über Ethik reden, bemerkt man nicht, dass sie Gier und
Unzufriedenheit fördern. Und ganz bestimmt hört man niemals von den
Aussagen derjenigen, die sich von Amway betrogen fühlen: Aussteigern wird
nicht gestattet, Stellungnahmen auf einer Versammlung abzugeben.
Das Spiel wird dadurch noch komplizierter, dass die Apostel dieses
Glaubens, spricht man sie darauf an, dass die meisten Amway-Vertreiber
Verluste machen (indem sie mehr Produkte von Amway kaufen als sie wieder
verkaufen) oder lediglich sehr bescheidene Einkünfte haben, nicht ehrlich
und direkt antworten: "Das ist bei einem solchen System zu erwarten."
Stattdessen behaupten sie, niemand habe jemals gesagt, man werde schnell
reich bei Amway, und niemand habe großen Reichtum durch wenig Arbeit
versprochen. Diejenigen, die es nicht schaffen, sind nun mal Versager. Sie
arbeiten nicht hart genug. Sie widmen Vertrieb und Anwerbung nicht genug
Zeit. Diese Versager brauchen Motivationshilfen!
Ehemalige Amway-Vertreter sagen, dass - wie bei so vielen Bewegungen
mit Personenkult - Amways Haltung gegenüber kritischen Insidern hart an
Verfolgungswahn grenzte. Edward Engel war Amways Hauptfinanzverwalter bis
1979, er trat zurück aufgrund einer Meinungsverschiedenheit mit DeVos und
Van Andel (den Gründern von Amway) bezüglich der Amway-Operationen in
Kanada. Das scheint ihm das Kainsmal beschert zu haben: Er gibt an, er und
seine Familie hätten für mehrere Jahre nach seinem Ausstieg Drohungen
erhalten. "Es war eine Art 'Big Brother'-Organisation," meint
Engel heute. "Jeder nahm an, die Telefone seien verwanzt - und Amway
habe etwas über jeden von uns."
Dorothy Edgar, Engels ehemalige Sekretärin, war den Kanadiern 1983 bei
den Untersuchungen bezüglich Amway behilflich. Nachdem sie in Chicago
eingeschüchtert worden war, teilte man ihr mit, "sich von Amway
fernzuhalten." Engel, der sie nach dem Zwischenfall abholte, glaubt
ihre Geschichte; von Amway kam kein Kommentar.
1982 gab es schlechte Publicity für Amway, als ein Ex-Vertreter namens
Philip Kerns kündigte und einen Enthüllungsbericht verfasste, den er
"Fake it Till You Make It" nannte [etwa: "Betrügen, bis
man es schafft", AdÜ]. Kerns klagt Amway an, ihn mit
Privatdetektiven verfolgt und eingeschüchtert zu haben. Kerns' Aussage
brachte die TV-Sendungen "Phil Donahue Show" und "60
Minutes" dazu, wenig schmeichelhafte Amway-Berichte zu bringen.
Amways Erfolg bei Anwerbungen sackte ab, und mit ihm die Verkaufszahlen um
geschätzte 30% in den frühen 80ern.
1984 kündigte ein weiterer ehemaliger Amway-Insider, Donald Gregory,
an, ein Buch über Amway schreiben zu wollen, aber die Firma erwirkte eine
einstweilige Verfügung gegen ihn an einem Gerichtshof in Grand Rapids.
(Paul Klebniov: "The Power of Positive Inspiration", in: Forbes,
December 9, 1991)
Dessen ungeachtet sind die Mehrzahl der Amway-Vertreiber vermutlich
anständige Leute, die an die Qualität und den Wert der Amway-Produkte
glauben und die mitmachen, um auf legale und anständige Weise Geld zu
verdienen. Sie sind nicht dafür verantwortlich, was die Gründer oder
"uplines" machen. Sie machen ihren Freunden keine ausufernden
Versprechungen über Millionenverdienste mit nur ein paar Stunden Arbeit
pro Woche. Der durchschnittliche Amway-Vertreter ist zweifellos nicht wie
James Vagyi.
Jetzt, da der Kapitalismus in viele der ehemals kommunistischen Staaten
Europas Einzug gehalten hat, hat Amway seine sich stetig vermehrenden
Wurzeln auch in Ländern wie Ungarn und Polen geschlagen. James Vagyi,
Chef-Anwerber für Ungarn, teilt potentiellen Vertreibern mit, das
Mindesteinkommen liege bei etwa 9.000 Dollar pro Monat (700.000 Forint).
Vagyi zu einer Gruppe von Kandidaten: "Wenn man zehn Millionen
Menschen 40 Jahre lang überzeugen kann, den Sozialismus in Ungarn
aufzubauen, dann sollten Sie sechs Leute für unsere Sache auftreiben
können." Wenn diese sechs weitere sechs finden und diese wieder
sechs, wird man in Windeseile reich. Vagyi zeigt seinem Publikum ein
Video, das mit einer Botschaft von Amways Mitbegründer Richard DeVos
endet: "Ethik und Sorge für das Wohlergehen von Menschen sind die
Grundlagen für Amways Geschäfte." Vielleicht. Aber einige
Vertreiber haben offenbar zynische Ansichten über Ethik, und die einzigen
Menschen, deren Wohlergehen ihnen am Herzen liegt, sind sie selber.
Allerdings: Trifft das nicht auf alle Arten von Geschäften zu? Gibt es
nicht immer ein paar schwarze Schafe, die den Ruf der ganzen Herde
verderben?
Sehr unwahrscheinlich, dass die Mehrzahl der Amway-Vertreiber Vagyis
Beispiel folgt oder dem von Michael Aspel, der ein seltsames
Anwerbungsvideo in London einsetzte. In dem Video sieht man "Pärchen,
die in riesigen Bungalows leben und Luxusschlitten fahren, während sie
darüber reden, wie viel Freiheit und Unabhängigkeit ihnen Amway beschert
hat. Die Stimme des Erzählers berichtet davon, dass die Firma auf 'Ethik
und Integrität' aufgebaut ist und 'Tausenden geholfen hat, ihre
Lebensqualität zu erhöhen.'" (Thompson)
Des weiteren kann kein Zweifel daran bestehen, dass die meisten Amway-Versammlungen
nicht so sind wie dise von Paul Klebniov beschriebene:
An einem Sommerwochenende kamen über 12.000 begeisterte Menschen
zusammen, um an einer Kundgebung in Richmond teilzunehmen. Ein paar von
ihnen waren wohlhabende Vertreiber von Amway-Produkten - die übrigen
wollten es werden. Das Treffen begann mit einem Gebet und einem Fahneneid.
Auf der Bühne stellte Bill Britt, der Top-Amway-Vertreter, der die
Kundgebung organisierte, die anderen Top-Vertreter vor, die in ihren
Cadillacs und Mercedes gekommen waren und teure Pelze und Juwelen zur
Schau stellten. Jedes Mal, wenn eines von diesen Vorbildern präsentiert
wurde, jubelte die Menge.
Berichte wie der von Klebniov führen unvermeidlich zu der Frage:
Fördert Amway betrügerisches Verhalten? Die Antwort ist: Nein. Einer der
Hauptkritikpunkte an Amway und ähnlichen Strukturvertrieben ist jedoch,
dass sie unausweichlich skrupellose Leute dazu bringen, den
Leichtgläubigen vorzugaukeln, mit ein wenig harter Arbeit könnten sie
über alle Maßen reich werden. Reich werden diese skrupellosen Leute
selber, nicht durch den Verkauf von Amway-Produkten, sondern durch den
Verkauf von "Inspirationsmaterial" wie Büchern, Kassetten,
Seminaren etc., deren Ziel es ist, Leute dazu zu bringen, positiv zu
denken. Während auch Kritiker zugeben, dass es möglich ist, vom Amway-Produktvertrieb
anständig zu leben, sollten realistisch denkende Menschen jedoch nicht
mehr als ein Zubrot zum eigentlichen Einkommen erwarten. Das echte Geld
kommt mit der Anwerbung für Amway. Das ganz große Geld liegt im Verkauf
von Motivationshilfen, also von Hoffnung.
Anmerkung des Übersetzers: Der Prozess gegen Amway dauerte von 1975
bis 1979 und endete - wie oben beschrieben - mit einem Sieg für Amway,
der sämtlichen weiteren Strukturvertrieben Tür und Tor öffnete. In
Deutschland haben wir es mit Firmen wie Deutsche Vermögensberatung AG (DVAG),
Allgemeiner Wirtschafts-Dienst (AWD), Hamburg-Mannheimer International (HMI)
oder Objektive Vermögensberatung (OVB) zu tun.
Übersetzung: Tobias Budke
MorgenWelt, Hamburg,
Germany
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